Kurz gefragt: Das Experten-Interview.

Business as usual – Finden wir ins „Normal“ zurück?

Die Zeiten, in denen wir leben, sind geprägt von Ungewissheiten und Wechsel. Flexibel und agil sollen Mitarbeiter sich darauf einstellen und den ständigen Wandel nicht nur annehmen, sondern mit gestalten. Die Herausforderung, die dies für Führungskräfte mit sich bringt, ist groß. Wie dies gelingen kann, darüber sprach Maria Sharichin, Veranstalterin des Leipziger Personalforums, im Experten-Interview mit Führungscoach Birgit Schneider.

Maria Sharichin: Liebe Frau Schneider, 2022 ist und bleibt ein herausforderndes Jahr. Warum?

Birgit Schneider: Die Lage ist vielschichtig. Fachkräftemangel und Generationswechsel beschäftigen noch immer meine Kunden. Ich erlebe aktuell in der Praxis die Erschöpfung der Mitarbeiter nach zwei Jahren Pandemie. Dazu erfolgt gleichzeitig überall die Neugestaltung der Organisationen, mit Fragestellungen zum Modernen Arbeiten. Die Einflüsse auf Führung, Arbeitsprozesse, Kommunikation und Teamarbeit sind enorm. Hinzu kommt die aktuelle politische Situation, die auch auf den Berufsalltag übergreift und die Mitarbeiter beschäftigt.

Was raten Sie Ihren Kunden?

Das ist unterschiedlich, je nach Druckpunkt. Aktuelle Themen sind: Gesundheit der Mitarbeiter, Team Building nach 2 Jahren mobilem Arbeiten, noch immer Digitalisierung, Prozess- und Strukturveränderungen, Einführung des modernen Arbeitens. Ich rate dazu, nicht zu viel auf einmal anzugehen. Lieber Fokussieren – aber dafür konsequent, so dass tatsächlich eine Unterschiedserfahrung spürbar ist. Und erst DANN mit dem nächsten Thema beginnen.

Worauf sollte Ihrer Meinung nach der Fokus liegen?

Auf einer Kombination aus der Förderung der Selbstfürsorge, denn jeder Mitarbeiter ist als Mensch selbstverantwortlich für sich und seine Gesundheit. Und auf der Führung. Denn, auch wenn es ein alter Hut ist, es braucht mehr denn je gute Führung. Also eine Kombination aus Fürsorge und klaren Linien.

Haben Sie ein Beispiel?

Beispiele für die Selbstfürsorge sind Fragen, wie: Was brauche ich? Woraus ziehe ich Kraft? Dazu gehört die ehrliche Selbstreflexion. Thema „Home-Office“: Bin ich geeignet bzw. sind überhaupt die häuslichen Rahmenbedingen vorhanden für mobiles Arbeiten? Was kann und muss ich für mich tun, damit es funktioniert? Wie finde ich eine klare Abgrenzung von beruflichen und privaten Themen?

Und zur Führung. Einige Führungskräfte haben sich schwer getan mit dem mobilen Arbeiten, gern mit der Begründung: „Ich weiß dann ja gar nicht, was der Mitarbeiter zu Hause macht.“ Meine Gegenfrage war dann immer: „Wie haben Sie das denn gewusst, als der Mitarbeiter im Büro nebenan saß?“ Da kam statt einer Antwort oft Schweigen. Die Lösung ist die Vereinbarung von messbaren Zielen, die noch immer vielerorts fehlt.

Die Unternehmen müssen sich fragen: Was hat gut funktioniert? Welche neuen Wege sind wir gegangen? Was wollen wir beibehalten? Wo sollten wir nachjustieren bzw. Wo haben wir etwas verloren, das wir wieder aufleben lassen wollen? 2022 ist eine Herausforderung – aber auch eine große Chance, wenn wir aus den letzten zwei Jahren  lernen.

Als Diplom-Psychologin war Birgit Schneider zunächst 13 Jahre im Personalbereich und in der Produktion angestellt tätig, um Berufserfahrung zu sammeln. Parallel absolvierte sie von 2010 bis 2015 ihre systemischen Ausbildungen und bereitete sich auf die unternehmerische Selbständigkeit vor. Mittlerweile ist Birgit seit 8 Jahren beratend tätig. Ihr Spektrum reicht in Unternehmen und Non-Profit-Organisationen von der Organisationsentwicklung über Seminare bis zur Konfliktmediation und Krisenintervention. Dabei lebt sie ihr Leitbild „Zuhören, Bewegen und Begeistern“, was in jedem Gespräch und in der Zusammenarbeit spürbar ist. (Foto: Workshop zum 12. Leipziger Personalforum. Fotograph: Claudia Koslowski)