Problem gelöst! – Wie Unternehmen und Bewerber auf Karrieremessen zueinander finden.

Was wäre, wenn auf Karriere- und Jobmessen genau DIE Unternehmen und Bewerber zusammen finden würden, die zueinander passen? Wenn es eine Art „Datingplattform“ gäbe, auf der die Unternehmensprofile und Kandidatenprofile gematched werden? Kann das, was für Online-Datingportale funktioniert, nicht auch bei der Job- und Mitarbeitersuche funktionieren? Darüber sprach ich im „Problem gelöst!„-Interview bei einem Kaffee mit Professor Paul Goldmann. Er ist seit 2022 Professor für Personalmanagement an der Westsächsischen Hochschule Zwickau und gründete schon 2019 die talentefinder GmbH. Ich wollte von ihm wissen, wie das mit dem „Talente finden“ funktioniert.  („Problem gelöst!“ ist unsere neue Interviewreihe, in der wir Menschen, Ideen, Projekte und Tools vorstellen, die Personalern die Arbeit erleichtern.)

Maria Sharichin: Wir haben uns heute getroffen, um über ein Projekt zu sprechen, das Dich seit einigen Jahren beschäftigt, denn schon vor Deiner Professorentätigkeit warst Du auch schon unternehmerisch tätig. Erzähl doch mal, was Du da genau machst, seit wann Du das machst, und wie Du eigentlich dazu gekommen bist.

Paul Goldmann: Sehr gern. Das, was wir machen, heißt „Talentefinder“. Das ist kurz gesagt wie eine Art  Tinder für Karrieremessen. Eine Matching-App, die wir im Kontext von Karrieremessen und Recruiting-Events den Eventveranstaltern zur Verfügung stellen, damit sie ihre Präsenzmesse noch um eine digitale Erweiterung ergänzen können. Hier bauen sich dann einerseits die Unternehmen Profile, ähnlich wie in einem Messekatalog, und andererseits legen auch die Talente Profile an, ähnlich wie bei LinkedIn oder Xing, wo das Wesentliche zu ihrem Lebenslauf drinsteht, und zu ihren Interessen. Diese Profile können wir dann miteinander matchen. Nach einem Match kannst Du die ersten Dates verabreden und die ersten Gespräche vereinbaren, die dann entweder auf der Karrieremesse vor Ort stattfinden oder eben auch virtuell. Wir haben den Talentefinder 2019 gegründet, aber ausprobiert haben wir das erstmals schon 2018 in Ingolstadt zu meiner Promotionszeit. Mein Kollege und ich haben dort die Karrieremessen organisiert und sind dort gestartet mit einem MVP-Produkt – also alles sehr minimalistisch gehalten -,  und es kam super an. Seit 2019 sind wir quasi damit auf Deutschlandtour und auch ein bisschen in der Schweiz unterwegs.

Maria Sharichin: Nun weiß ja vielleicht nicht jeder etwas mit Tinder oder einer Datingplattform anzufangen. Laß uns mal genauer erklären, wie das ganz konkret funktioniert. Du hast gesagt, daß jede Seite ein Profil hinterlegt, sowohl das Unternehmen, als auch der Bewerber oder die Bewerberin. Habt Ihr da bestimmte Raster, in die sich die Leute eintragen?

Paul Goldmann: Genau. Die Unternehmen haben immer ein standardisiertes Profil und können Angaben machen wie zum Beispiel: das Wesentliche über uns, wer wir sind, was wir machen, was wir anbieten, was wir suchen.

Bei den Talenten haben wir drei verschiedene Profile. Wir haben einmal die Profile für Schülerinnen und Schüler, die also mehr auf die Schulkarriere zugeschnitten sind. Dann haben wir die Studentenprofile, wo dann eben schon auch mehr berufliche Stationen und Studiengänge hinterlegt werden können, und wir haben Profile für Berufserfahrene, die also schon im Berufsleben stehen, Ausbildung oder Studium schon hinter sich haben und erste Berufserfahrung sammeln konnten. Diese drei Profiltypen gibt es bei den Talenten, das füllt man aus und man gibt an, was man sucht. Damit geht man dann in das Matching und sieht dort die Unternehmensprofile, die dazu passen, kann sie sich anschauen, kann sagen, welches einem gefällt, oder welches einem nicht gefällt. Das Unternehmen macht die Gegenrichtung, schaut sich also die Talentprofile an und sagt, wer ist denn grundsätzlich erstmal interessant für uns, und wen würden wir gerne kennenlernen. Wenn beide Seiten interessiert sind, dann matched es, dann geht die Reise gemeinsam weiter.

Maria Sharichin: Ähnlich wie bei einer Dating-Plattform ist der Erfolg Eurer App wahrscheinlich auch davon abhängig, dass Du eine ausreichend große Anzahl von Profilen auf beiden Seiten hast. Gibt es da eine kritische Größe, die ihr braucht? Oder muß eine Messe eine Mindestgröße haben beziehungsweise eine Mindestanzahl seitens der beteiligten Unternehmen?

Paul Goldmann: Das kommt immer ein bißchen darauf an, wie die konkreten Gegebenheiten sind. In Ingolstadt zum Beispiel, an der katholischen Uni, da machen wir das mit sehr wenig Unternehmen, ungefähr 10. Und das funktioniert trotzdem sehr gut, weil die App und das Prozedere allen dort schon bekannt ist. Die Studierenden kennen das ja quasi schon seit „Generationen“, da läuft das. In der Regel sagen wir, das sich mindestens 20 Unternehmen beteiligen sollten, denn das ist tatsächlich vergleichbar mit einer Datingplattform: Wenn Du auf Partnersuche bist und gehst dann online, und dann sind dort zu wenige Profile hinterlegt, dann ist der Spaß schnell vorbei. Also 20 Unternehmen brauchen wir mindestens, damit es interessant ist, so sagt unsere Erfahrung. Und umso mehr, umso besser. Von der Talentseite her, da sind wir normalerweise in den Hunderten, auch dann, wenn es nur wenige Unternehmen sind. Aber auch bei den Talenten gilt: Umso mehr, umso besser für die Unternehmer, denn dann haben sie eine Auswahl.

Maria Sharichin: Was war jetzt die letzte Messe, auf der ihr damit aktiv und präsent wart?

Paul Goldmann: Die letzte Messe war in München. Das war tatsächlich ein digitales Event. Eigentlich kommen wir ja aus der Präsenzwelt und wollten quasi einfach nur ein digitales Add-on. Dann kam aber Corona und es gab die Präsenzwelt nicht. Unsere App ist ja aber schon ein digitales Tool, wir mussten im Prinzip nur noch virtuelle Meetings hinzuschalten und konnten dann dadurch auch rein digitale Events abdecken. Und das sogar effektiver, als es eine virtuelle Messehalle kann, was ja andere Anbieter ausprobiert haben. Bei uns funktioniert alles sehr effizient, mit wenigen Klicks, unkompliziert. Allerdings hat die Anzahl digitaler Events nun sehr stark abgenommen. Die Präsenz, die realen Treffen, das überwiegt wieder bei Weitem. Du schaust Dir in die Augen, man schüttelt sich vielleicht die Hand, man sieht einfach dann noch mehr als nur das Profil – das hat alles im Zwischenmenschlichen einen großen Effekt. Die virtuelle Messe damals in München war ein regionales Event mit Hauptfokus Azubisuche, aber auch mit berufsverfahrenen Profilen und Studenten. Ein sehr großes Event mit knapp 100 Unternehmen und so um die tausend Talenten – und das hat virtuell und mit dem Talentefinder bestens funktioniert.

Maria Sharichin: Geht Ihr im Vorfeld der Messen auf die Messeveranstalter zu, oder direkt auf die Unternehmen?

Paul Goldmann: Wir gehen auf die Messeveranstalter zu, die sind dann unsere Kunden und die Unternehmen sind quasi die Kunden unserer Kunden. Letztendlich weiß der Kunde selbst besser, was seine Unternehmen brauchen. Wir unterstützen dann oft noch im Onboarding von den Unternehmen, erklären die App in Webmeetings und sind auch im Support da. Das muss unser Kunde, also der Messe-Veranstalter, gar nicht selbst machen, wenn er den Aufwand nicht haben möchte. Beides ist möglich.

Maria Sharichin: Das heißt aber für den Bewerber, der sich registriert, ist es komplett kostenfrei?

Paul Goldmann: Genau, für den Bewerber ist es auf jeden Fall kostenfrei. Denn er oder sie ist ja letztlich die Hauptperson, – die wollen wir keinesfalls abschrecken.

Maria Sharichin: Was macht Ihr dann in der Nachbereitung? Könnt Ihr zum Beispiel nachvollziehen, zu wie vielen Matches es gekommen ist?

Paul Goldmann: Das können wir nachvollziehen, aber auch der Messeveranstalter kann es nachvollziehen. Zum Einen natürlich erst einmal hat er allgemein die Daten für sein Event: Wie viele Unternehmen und Talente sind da? Wie viele Matches gibt es? Wie viele vereinbarte Dates gibt es? Der Veranstalter kann es aber sogar bis auf das Unternehmenslevel unterbrechen. Er kann sehen, wie viele Dates denn eigentlich Firma xy hat, wie viele Likes oder Dislikes sie von der Bewerberseite bekommen hat. So kann der Messeveranstalter den beteiligten Unternehmen auch ein sehr detailliertes Feedback geben, wie sie bei ihrer Zielgruppe ankommen. Und das ist natürlich super spannend.

Maria Sharichin: Worin seht Ihr den größten Nutzen Eurer App?

Paul Goldmann: Das Ziel unserer App ist, daß wir das „Problem der grauen Masse“ lösen, das man oft auf Karrieremessen hat. Das sind ja meist riesige Areale auf so einer Messe, mit vielleicht 50 oder 100 Unternehmen drin – und da schieben sich dann pro Tag Zwei-, Drei- oder Viertausend Tausend Besucher durch. Aber wer passt eigentlich zu wem? Wer sollte jetzt hier mit wem am besten sprechen? Bei welchem Gespräch kommt wirklich was rum? Das weiß man normalerweise nicht. Die Bewerber wissen es nicht, weil sie viele der Unternehmen gar nicht kennen, die auf der Messe präsent sind. Und sie trauen sich dann auch häufig nicht, überhaupt jemanden anzusprechen. Und auf der anderen Seite die Recruiter und Recruiterinnen haben ja das gleiche Thema: Da schiebt sich eine Masse von Personen durch die Halle bzw. an ihrem Stand vorbei. Man weiß nicht genau, wer sucht denn jetzt gerade was? Wer kann denn was? Wer bringt denn schon welche Erfahrungen mit? Und das alles kann man wunderbar über die App erstmal recht effizient herausfinden und auch schon ein bisschen filtern. Und dann matched man sich und schaut, wo könnte es passen. Als Unternehmen hole ich mir konkret DIESE Leute an den Stand und sage ihnen: „Komm doch direkt bei uns vorbei und wir sprechen mal über Dein Interesse an der Stelle.“ – Und dann wird aus dem ersten Kennenlernen und dem ersten Date vielleicht „was Festes“.

Maria Sharichin: Problem gelöst. 😉


Schon gewußt? – Professor Goldmann spricht auf dem 15. Leipziger Personalforum am 7. November zum Thema „Beyond Generations: Personalisierung im Personalmanagement als Gegengift zu Generationskonzepten“ und wird (er)klären, ob Leistung und Motivation tatsächlich eine Generationenfrage sind. Mehr dazu …

Programm 15. Leipziger Personalforum

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